UNMITTELBARE WETTKAMPFVORBEREITUNG (UWV) UND U23- WELTMEISTERSCHAFT 19.-23.07.2023 IN PLOVDIV(BULGARIEN)

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Unmittelbar nach dem Titelgewinn im Leichtgewichtseiner bei den Deutschen U23- Meisterschaften starteten wir, Natalie Weber und Trainer Thomas Kornhoff in die UWV für die U23-WM. Mit im Gepäck Natalies Boot und ein werftneuer Einer, den Natalie aufgrund von Vereinbarungen des DRV mit einem Bootshersteller bei der WM verpflichtend fahren sollte. Als erstes führte uns der Weg – anders als den Großteil der DRV-Mannschaft, die sich auf dem 2.000m-Kanal in München vorbereitete – nach Wien, auf die Regattastrecke an der Neuen Donau. Für die Wahl des Trainingsortes waren im Wesentlichen fünf Faktoren ausschlaggebend, warmes Wasser, eine exakt vermessene Strecke, die Möglichkeit etwa fünf Kilometer in eine Richtung rudern zu können, Entfall der Übernachungskosten und Off-Water Trainingsinfrastruktur. Die Trainingsstrecke präsentierte sich während der gesamten Dauer unseres Aufenthaltes – von einem Windtag abgesehen – in hervorragendem Zustand. Auch standen uns alle Einrichtungen des Leistungszentrums wie Ergometer, Kraftraum, Fahrräder, etc. zur Verfügung, und wir erhielten auch zwei Liegeplätze in einer der Bootshallen. Meist wurde der Weg zum und vom Training mit dem Rad zurückgelegt. Selbstverständlich gab es auch einen freien Nachmittag mit der Gelegenheit, einen Ausflug in die Wiener Innenstadt – Kaiserschmarrn inklusive – zu machen. Getrübt wurde das Trainingsvergnügen jedoch bereits bei der Montage des neuen Einers. Wir mussten feststellen, dass die Einstellmöglichkeiten nicht ausreichten, das Boot für Natalie anzupassen. Nach einer guten Trainingswoche mit dem alten Boot erhielten wir dann ein neues Stemmbrett und konnten ins neue Boot wechseln. Leider ließ sich dieses trotz der weiteren Anpassungen nicht wirklich gut rudern  und auch die Geschwindigkeiten lagen deutlich unter jenen, die im eigenen Boot gefahren wurden. Insgesamt litt die Trainingsqualität unter den immer verzweifelteren Versuchen, das neue Boot ruderbar zu machen, beträchtlich. Für die letzte Vorbereitungswoche mussten wir dann auf massiven Druck des Bundestrainers doch noch ins teure München wechseln. Auch mit Hilfe des DRV-Bootsmeisters gelang es dort nicht, im neuen Boot ein ordentliches Set-Up zu finden. Als letzte Maßnahme wurde am vorletzten Tag des Trainingslagers dann noch der acht Jahre alte Einer der Ersatzruderin für Natalie umgebaut. Obwohl offiziell baugleich mit dem neuen Boot, sah das gleich deutlich besser aus. Die im eigenen Boot erreichte Bewegungsqualität und Bootsgeschwindigkeit konnte aber in so kurzer Zeit auch nicht mehr erreicht werden. Am Abend vor der Anreise nach Bulgarien wurde dann im DRV die Entscheidung getroffen, dass bei der WM doch das eigene Boot verwendet werden darf. Fazit war drei Wochen Unsicherheit, zwei schlecht genutzte Trainingswochen. Zudem erreichten uns knapp vor dem Abflug aus München auch noch letzte Ausläufer des in der vorangegangenen Woche durch die Mannschaft gezogenen Darmvirus.

U23-WM in Plovdiv

Nach zweistündigem Bustransfer von Sofia empfing uns die älteste Stadt Europas und antike Metropole Plovdiv am Abend des 15. Juli mit drückender Hitze und bösartigen Stechmücken. Beides sollte uns während der gesamten Dauer der WM begleiten. Manchmal ergänzt um Rauchschwaden und beißenden Brandgeruch der immer wieder mal über die Regattastrecke hinweg zog. Die für das Finalwochenende angekündigten 40 Grad wurden nicht erreicht. Das Thermometer stieg lediglich auf 39 Grad im Schatten, der war aber an Land schon selten und auf der Strecke gar nicht vorhanden. So glänzte die Regattabahn Tag für Tag in gleißendem Sonnenschein – ebenso wie die schweißigen Körper. Letztere wurden mehrmals täglich Kälteschocks ausgesetzt. Bei jedem Transport in den Shuttlebussen oder beim Betreten des Hotels hatte man das Gefühl, der Schweiß auf der Haut würde augenblicklich in eine dünne Eisschicht verwandelt. An der Strecke wurde vor dem Ablegen in Ruderkleidung kalt geduscht. Die Betreuer waren mit der Ausgabe von Kühlwesten und unter den Kappen auf den Köpfen der Sportler zu platzierenden Eisbeuteln beschäftigt. Am Tag vor dem ersten Rennen wurde Natalie ins “Krankenzimmer” übersiedelt und es sind erste Anzeichen einer Erkältung bemerkbar geworden. Der donnerstägliche Vorlauf verlief mit dem dritten Platz dann etwas unbefriedigend. Der direkte Aufstieg wurde um einen Platz verpasst, wobei insbesondere ärgerlich war, dass Natalie bei ihrem Sieg in Ratzeburg die unmittelbar vor ihr platzierte Dänin klar besiegt hatte. Statt eines freien Tages stand nun also der Hoffnungslauf auf dem Programm. Mit stärker gewordenen Halsschmerzen ging Natalie nach Freigabe durch den Teamarzt am Freitag in den Hoffnungslauf. Etwas unsicher, ob in diesem Zustand die Kraft für die gesamte Strecke reichen würde, fuhr Natalie ein sehr defensives Rennen mit geringstmöglichem Aufwand, lange mitrudern und sehen, was zum Schluss noch möglich ist. So ging sie knapp hinter der ungarischen Ruderin und Bord an Bord mit der Amerikanerin bis über die 1.500m-Marke. Dann schüttelte Natalie innerhalb weniger Schläge erst die Amerikanerin ab und überruderte auch die lange führende Ungarin noch deutlich. Unangestrengter Sieg im Hoffnungslauf und Einzug ins Halbfinale. In der samstäglichen Mittagshitze galt es dann das Halbfinale mit etwas stärker gewordenen Beschwerden in Angriff zu nehmen. Nach den bisherigen Saisonergebnissen – Natalie distanzierte bei ihrem Sieg in Duisburg die nun neben ihr rudernde Schweizerin um zehn Sekunden – war klar, dass dies die Orientierungsgröße in diesem Rennen sein musste. Vor dem Ablegen waren die Beschwerden nach entsprechender Medikation weitestgehend verschwunden und die Stimmung wieder gut. Es waren aber leichte Gleichgewichts- und Konzentrationsbeeinträchtigungen festzustellen. Diese manifestierten sich auch im Rennen, das sowohl aus der Außensicht des Trainers als auch der Innensicht der Sportlerin als “wie betäubt” wahrgenommen wurden. Das ergab abgeschlagen den letzten Platz in diesem Lauf und somit einen Platz im Finale-B. Die Schweizerin ruderte ungefordert und ungefährdet ins A-Finale-A. Der durchaus etwas besorgniserregende Zustand Natalies hielt auch noch einige Stunden nach dem Rennen an. In der nachfolgend mit dem Teamarzt geführten Diskussion wurde eine Infektion mit dem West-Nil-Virus (wird durch Mückenstiche übertragen und ist in der Region verbreitet) ausgeschlossen. Als wahrscheinlichste Erklärung blieb ein wirkungsverstärkendes Zusammenspiel der Medikation mit den extremen Hitzebedingungen. Unbeeinträchtigt von irgendwelchen Arzneimitteln und mit vom Halsbereich weiter in Richtung Bronchien gerutschter Erkältung ging Natalie dann am Sonntagvormittag ins B-Finale. Etwas kraftlos musste Natalie die Führenden bei der 1.000m-Marke ziehen lassen, konnte am Ende noch ein paar Meter gut machen und landete mit etwa fünf Sekunden Abstand auf die als individuelle neutrale Athletin (= Russland oder Weißrussland) gestartete Laufsiegerin auf dem vierten Platz. Ein zehnter Endplatz bei einer Weltmeisterschaft im hochkompetitiven Feld der Leichtgewichtseiner ist aller Ehren wert, insbesondere unter den gegebenen Voraussetzungen. Dennoch bleibt in Anbetracht der Platzierungen, welche aus der Saison bekannte Konkurrentinnen erreicht haben, das Gefühl, da wäre etwas unerfüllt geblieben. Eine zusätzliche Motivation für die Zukunft?

Fotos: Detlev Seyb und Maren Derlin/meinruderbild.de